Montag, 21. März 2011

21.03.2011 Tagebuch

Gestern haben wir zwei Gottesdienste gefeiert. Einer fand in unserer Kreuzkirche ohne Pfarrerin statt, ein weiterer mit Pfarrerin im Mariott-Hotel in Nagoya.

Ich freue mich sehr und bin stolz auf die in Tokyo verbliebene kleine Gemeinde, die sich tapfer selbst organisiert und Gottesdienst feiert. Das Priestertum aller Gläubigen hat sich hier bewährt.

Am Nachmittag schickte mir ein Gemeindeglied ein buddhistisches Gebet, das Monatsgebet vom Zojoji-Tempel in Tokyo: 
„Freude: Honen (dem Gründer der Jodoshu-Richtung im japanischen Buddhismus) sei Dank. Das tägliche Gebet (die Anrufung Buddhas) macht Leib und Seele lebendig. Frühlingswinde wehen, Bäume und Blumen entfalten Blätter auf ihren Ästen, lehren uns, den Augenblick zu leben.“

Mein Mann und ich sind unglaublich müde – so reagiert der Körper auf die Erfahrungen der vergangenen Tage. Von anderen weiß ich, dass sie mit Bauchkrämpfen zu tun haben. Aber was ist das alles angesichts der Aufräum- und Trauerarbeit, die die Menschen im Erdbebengebiet durchzustehen haben.

Die Medien hier in Japan zeigen jetzt Rettungsgeschichten, neu geborene Kinder, Menschen, die sich weinend in den Armen halten, weil sie einander wiedergefunden haben. Gezeigt werden Helfer, die einfach alten Menschen die Hand halten und sie erzählen lassen. Helfer, die Sachspenden verteilen helfen, die sich an den Aufräumarbeiten beteiligen. Und doch weiß man, dass, was sie nicht zeigen, die Bergung der vielen tausend Toten ist. Die jungen Männer der Selbstverteidigungsstreitkräfte, die diese schwere Arbeit tun,  werden noch lange psychologische Hilfe brauchen.

In unserem kleinen Kreis beginnen erste Überlegungen, was wir als Gemeinde konkret beitragen können. Bisher arbeiten die großen Hilfsorganisationen und japanischen NGOs. Morgen nimmt das Rathaus Shinagawa (in diesem Stadtbezirk liegt unsere Kirche) Sachspenden von Privatpersonen entgegen. Auf der Webseite ist genau angegeben, was benötigt wird. So organisieren sich nach und nach die Kommunen landesweit, so dass jede und jeder etwas beitragen kann.

Wir lesen uns durch die kirchlichen Webseiten, und zu gegebener Zeit wird sich ein Projekt zeigen, das wir unterstützen können.

Ein japanischer Kollege schrieb mir: in den am schlimmsten zerstörten Gebieten wird es ca. drei Monate dauern, bis die Gasversorgung wieder funktioniert. Zerstörung auf einer Küstenlänge von 400 km mit den Wassermassen, die bis zu 10 km ins Land eingedrungen sind. Im ganzen Land bewegen sich die Menschen, um zu helfen. Die Busfahrer der Deutschen Schule sind mit drei Bussen nach Norden gefahren und haben 50 Menschen nach Yokohama geholt. Musiker treten ohne Gage auf und sammeln Spenden, Sportler beteiligen sich in ähnlicher Weise, jede und jeder entwickelt Ideen, die weiterhelfen. Das ist ermutigend.

Bleibt alle behütet

Elisabeth Hübler-Umemoto