Ich wache auf, es ist 5:00 Uhr am Morgen, und mein erstes Gefühl geht dahin: ich will meine Normalität zurück. Kann nicht alles ganz schnell geklärt werden, damit wir weiterleben können?
Stattdessen im Fernsehen ein oberpeinlicher Auftritt von wissenschaftlichen und leitenden Mitarbeitern des Kernkraftwerks Fukushima 1, die sich vor laufenden Kameras einen Dreck scheren um die Sorgen, die sich alle machen, um die Spannung auch im Saal der Pressekonferenz, und rangeln und streiten, wer jetzt welches Info- bzw. Datenblatt hat, wer sprechen darf, wer die richtigen Informationen hat. Bakkamon! möchte man rufen, ihr Blödmänner!, ihr seid für die vielen Millionen Menschen verantwortlich, nicht bloß für eure Wissenschaft und schon gar nicht für eure Streitigkeiten. Während die Techniker in den AKWs ihr Leben aufs Spiel setzen, seid ihr mit Kompetenzgerangel und Konkurrenz beschäftigt!
Das war gestern Abend nicht ermutigend. So gingen wir mit der Unsicherheit in die Nacht, was nun aus Block 2 wird.
Fahr du nach Deutschland, sagte mein Mann, du sollst nicht diese Schwächen der japanischen Kultur zu erleiden haben.
Ja, die Schwächen der hiesigen Kultur werden an einigen Stellen jetzt deutlich:
Dass Experten in ihrem Fach es durch alle Institutionen geschafft haben, alle Prüfungen sehr gut bestanden, aber nicht fähig sind, den Kopf klar und oben zu behalten, wenn etwas außer der Reihe zu tun ist, wenn auch der Einzelne Verantwortung für das ganze tragen muss. In den politischen Auseinandersetzungen der letzten Monate bekamen wir das vorgeführt und gestern Abend in einer Pressekonferenz leider auch.
Dieser Link geht zur Japan Times mit zahlreichen informativen Kommentaren.
Allmählich beginnen wir die Auswirkungen der Katastrophe auch auf die Zukunft der Gemeinde und der deutschen Community zu spüren.
Unser Architekt informierte uns gestern darüber, dass weiteres Bauholz für den Innenausbau unseres neuen Pfarrhauses Lieferstopp habe, da alle Resourcen für das Erdbebengebiet zur Verfügung stehen müssten. IKEA hat seine Tore geschlossen, vermutlich um seine Produkte den Menschen im Erdbebengebiet zur Verfügung zu stellen. So werden wir Fertigstellung und Einweihung des neuen Pfarrhauses verschieben.
In den Firmen arbeitet man so gut es geht unter den erschwerten Bedingungen weiter. Flexibilität war für ein Leben in Japan immer schon die Anforderung. Jetzt muss man noch kreativer und flexibler sich den veränderten Gegebenheiten anpassen.
In zwei Stunden wird uns für ca. vier Stunden der Strom abgestellt. Aber was ist das schon, angesichts der vierten Nacht, die viele Opfer im Freien verbracht haben bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Inzwischen rechnet man mit ca. 20.000 Toten, aber für genaue Angaben ist es noch zu früh.
Vom Reaktor hört man wenig Ermutigendes, aber noch ist keine bedrohliche Verschlechterung eingetreten.
Bleibt uns und den Menschen in Japan bitte verbunden
Elisabeth Hübler-Umemoto
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