Liebe Geschwister!
Gespräche, Telefonate mit Gemeindemitgliedern, Interviews mit Medien. Ein langer Tag geht zu Ende. Der vierte Tag nach den schrecklichen Ereignissen.
Heute hatten wir noch keinen Stromausfall, aber die Züge, S-Bahnen, U-Bahnen wurden deutlich reduziert, um Strom zu sparen.
Ich bekomme öfter die Frage gestellt, warum die Japaner so gelassen, so diszipliniert auf das alles hier reagieren.
Japaner sind stark, wenn sie eine fest definierte Rolle ausfüllen müssen. Das hilft jetzt sehr um in dieser unermesslichen Notlage zu tun, was nötig ist.
Spontaneität ist nicht so ausgeprägt in der japanischen Kultur.
Umso erfreulicher der Tanklastzugfahrer, der seinen Tankzug mit Trinkwasser füllt und zum nächsten verwüsteten Dorf fährt, um den Menschen Wasser zu bringen. Dazu sagt er: ich freue mich sehr, dass ich diesen Beitrag leisten kann.
Oder jene Frau, die von einem Soldaten auf dem Rücken aus den Trümmern getragen wird und sich auf so unverwechselbar japanische Weise bedankt:
Sumimasen, d.h.: ich kann dir dafür nichts zurück geben, osewani narimashita, d.h.: ich fühle mich schuldig dafür, dass du etwas für mich tun musst, was du normalerweise nicht tun musst.
Wir erfahren in diesen Tagen wie groß die Schattenseite unserer allumfassend technisierten Welt ist. Es war so schön bequem mit all den Geräten, die uns umgeben. Von der elektronisch gesteuerten Klo-Washlette-Spülung bis zur Espressomaschine mit eigener Kaffeemühle, ip-phone, etc. weltweit vernetzt.
Ich hoffe, dass man in Japan und überall dort wo es Kernkraftwerke gibt, über Veränderungen in der Energieversorgung nachdenkt. Dass man mehr und mehr erneuerbare Energiekonzepte auf den auf den Markt lässt.
Wunderschöne Briefe haben uns erreicht, tief anrührende Segenswünsche.
Eine Flut an Mails der Anteilnahme. Hilfsangebote.
Danke Ihnen allen dafür.
Manche fragen mich nach meiner Angst, aber mir geht es eher so, dass ich jetzt merke, was mein Glaube mir bedeutet. Dass wir alle in Gottes Hand sind, wo immer wir auch sind. Und wo ich bin, soll ich blühen, soll ich meine Aufgabe erfüllen, soll ich für die Menschen da sein. Und das werde ich tun.
Kontakte halten ist jetzt wichtig, wo die Verkehrswege unberechenbarer und umständlicher sind. Sich anrufen, Mails austauschen, sich gegenseitig Mut machen, die Angst teilen.
Wenn es zum Schlimmsten kommt, werden wir auch gehen, aber soweit ist es noch nicht.
Wir leben ja so, dass es keine Garantien gibt, ob wir uns retten werden oder nicht. Wir steigen in Flugzeuge, wir reisen in jeden Winkel der Erde, wir treiben Extremsport etc. Risikogesellschaft.
Die meisten hier haben sich zum Gehen entschlossen. Sie spüren natürlich die Verantwortung für ihre Kinder.
Funktionsträger der Firmen sind noch da, so auch wir.
Heute sind deutlich weniger Züge gefahren, um Strom zu sparen. Es gibt kein Benzin mehr an den Tankstellen. Deshalb wird vielleicht auch unser 2. Versuch, am Mittwoch zum GD in der Kirche zusammen zu kommen scheitern.
Eine Meldung: Am Reaktorblock 2 war der Wasserstand bedrohlich gesunken, weil man nicht für genügend Diesel für die Wasserpumpe gesorgt hatte. Ein Reporter fiel angesichts dieser Auskunft resigniert der Kopf runter. Später bekamen wir die Auskunft: Einer der Reaktorblöcke macht uns schon genug Arbeit, aber wir müssen jetzt drei Blöcke genauestens beobachten. Da haben wir bei der Nummer 2 zu spät den leeren Dieseltank für den Pumpengenerator bemerkt und nicht so schnell Nachschub holen können. Das Problem ist jetzt aber gelöst, Reaktorblock 2 hat wieder den richtigen Kühlwasserstand.
So sitzen wir hier, hoffen und bangen und vertrauen, dass wir das richtige entscheiden.
Das folgende Foto von der ersten Seite des Independent hat die Menschen hier zu Tränen gerührt. Gambare Nippon, don't give up Japan , don't give up Tohoku.
Dieses Wort ist für die Menschen hier einem Segenswunsch vergleichbar, einer echten, tief gefühlten Ermutigung.
Es freut die Menschen hier ungeheuer, dass weltweit soviel Anteil genommen wird, soviel echtes Mitfühlen rüberkommt.
Da sind die Japaner dann auch gerne bereit ebensolche Hilfe zurückzugeben, wenn in anderen Ländern Not am Mann ist.
Elisabeth Hübler-Umemoto
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