Sonntag, 22. Mai 2011

Kamaishi, 14.-16. Mai

Vom 14. bis 16. Mai waren Herr Pfarrer Ota und Herr Eckhoff vom Gemeindekirchenrat in Kamaishi und Otsuchi, um die aus Bremen gespendeten Kleinwagen im Kamaishi Hoikuen zu überbringen.

Bericht aus Kamaishi


Die Freude über den Empfang der beiden Autos war riesengroß. Tiefe Dankbarkeit wurde uns entgegengebracht, weil diese beiden Wagen einen entscheidenden Schritt in die Normalität bedeuten. Stolz sind die Mitarbeitenden auch, dass an den Seitentüren die Aufschrift angebracht ist: „Ein Geschenk der Bremer Bürger an den Kamaishi Hoikuen“.
In Japan kennt jedes Kind den Namen der Stadt Bremen von Grimms Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“.
Es wurde mit Freude bemerkt, dass die beiden Autos, eines rot, eines weiß, die japanischen Nationalfarben wiedergeben.

Was mich tief beeindruckt hat, war die freundliche Wärme der Menschen, mit der sie uns begegneten. Wie sie ihr Schicksal mit großer Gefasstheit tragen, zumindest nach außen. Wie geordnet in all dem Durcheinander sie ihrer Arbeit nachgehen, und aufbauen, so gut sie können. Viele Geschichten haben wir gehört, und ich konnte spüren, wie gut es tut, sein Schicksal erzählen zu dürfen, sich mitteilen zu dürfen und jemanden zu haben, der Anteil nehmend zuhört. Ein kleines Stück Hilfe einfach von Mensch zu Mensch.

In Otsuchi besuchten wir den Osanago Yochien und vereinbarten, dass wir aus den Bremer Spenden die Fußbodenheizungsanlage erneuern lassen werden. Das bedeutet, dass bis zum kommenden Herbst eine Gas-Wärmetauschanlage und evtl. notwendige Reparaturen der Leitungen fertig sein sollen.
Ich war sehr überrascht, mit wie viel Kraft und Enthusiasmus die Mitarbeitenden hier aufgeräumt und alles gesäubert haben. Die Spuren des Tsunamiwasserstands waren zwar noch zu sehen, aber sonst war alles schon wieder sehr sauber und in Ordnung gebracht.
Zu Weihnachten wird dieser Kindergarten ein Singspiel aufführen, und wir werden aus den Bremer Geldern die Noten ersetzen.

Beim Midori Yochien in Otsuchi trafen wir leider niemanden an. Die Anlage erschien uns unbenutzbar. Ein schlimmer Geruch lag über allem. Um hier zu helfen, wird es einer weiteren Reise bedürfen.
Am folgenden Tag fuhren wir nach Miyako, etwa 50 km nördlich von Kamaishi, und besuchten den Hikari Yochien. Hier ist die Kindergartenleiterin auch Gemeindemitglied, hat uns also auch als Kirchenvertreter gerne empfangen. Das Kindergartengebäude wurde nicht vom Tsunami erreicht und hat nur einige kleinere Erdbebenschäden. Aber der nagelneue Kindergartenbus ist überspült worden und hat einen Totalschaden erlitten. Wir werden uns aus den Bremer Geldern mit 10% an einer Neuanschaffung beteiligen.
Auf der Rückfahrt fuhren wir die fünfzig Kilometer nach Kamaishi an der Küste entlang über Yamadacho und Otsuchi. Ich war schockiert angesichts der riesigen Müllhalden, der Zerstörung und des Durcheinanders.
Was für Verwüstungen die Gewalt des Meeres angerichtet hat, ist unvorstellbar, selbst wenn man davor steht. Und dann, nur eine Straße, nur ein Haus weiter, sieht es aus, als ob nichts geschehen wäre. Allmählich begreife ich die Schicksalsergebenheit der Japaner: je nachdem, wo man sich befand, ist man am Leben oder nicht, hat man alles verloren oder nicht.

Unsere zweite Projektidee ist einen Schritt weiter gekommen:

Musik für Kamaishi

Wir haben Herrn Professor Yamazaki und seine Frau Shoko besucht und ihnen eine neue Partitur von Beethovens 9. Symphonie überreicht. Herr Yamazaki, der die Neunte von Beethoven viele Male in Kamaishi einstudiert und dirigiert hat, war zu Tränen gerührt und hat uns versichert: auch in diesem Jahr wird die Neunte in Kamaishi erklingen!
Wir werden uns mit den deutschen Spendengeldern daran beteiligen, das Projekt möglich zu machen.
Auch die Vertreter der Stadt Kamaishi zeigten sich sehr interessiert am Gelingen des Projekts.
Sehr beeindruckt hat mich in diesem Zusammenhang unser Besuch in der Kamaishi Higashi Chugakko, die nach dem Beben zusammengeführt wurde mit einer anderen Mittelschule, Kamaishi Chugakko. Die Schüler dieser Schule hatten gerade Chorprobe für die Neunte von Beethoven, als das Erdbeben geschah. Zum Glück waren sie nicht in Schulbussen oder sonst wie auf dem Nachhauseweg. Von der Schule konnten sie sofort zusammen mit den Grundschülern der benachbarten Grundschule, Unosumai Shogakko (wo das Auto im Fensterrahmen sitzt - jetzt aufgeteilt in 2 Schulen: Kosano und Futaba Shogakko), auf die sicheren Hügel in der Nähe rennen - und sind alle gerettet. In diesem Jahr werden alle Schüler der Mittelschule an der Aufführung der Neunten teilnehmen.
Deshalb scheint es mir ein starkes Symbol der Hoffnung, dass die Neunte in diesem Jahr zum 34. Mal in Kamaishi aufgeführt wird, und wir sind glücklich, dazu einen Beitrag leisten zu können.

Zwei Fischer haben wir kennen gelernt, die im Tsunami ihre Boote verloren haben, wie die Mehrheit der etwa 3000 Mitglieder der Fischereigenossenschaft Kamaishi. Sie haben meist von der Kultivierung der Jakobsmuschel und vom Wakame-(Seetang-)Anbau gelebt. All diese Muschel- und Seetangfelder sind zerstört, und es wird Jahre dauern, sie neu zu kultivieren, bis sie einen Ertrag abwerfen. Aber die Fischer üben diesen Beruf seit Generationen aus. Für sie kommt nichts anderes in Frage, auch wenn sie jetzt nicht arbeiten können und oft kein Einkommen haben. Wir würden ihnen gerne, wenn auch nur sehr symbolisch, helfen, ein neues Leben wieder zu gewinnen.
Olaf Eckhoff

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